Der Wichtigträumer

„Ich schließe die Augen, muss mich gar nicht zurücklehnen, und bin schon im Geschehen, ein wichtiger, gar der Hauptakteur. Ja, ich träume mich wichtig. Ein Wichtigträumer.“ Ein älterer Herr hat sich visavis niedergelassen, froh, den für ihn wohl letzten freien Sitzplatz erobert zu haben, im, bis auf uns beide, leeren Abteil und spricht mich an. „Aber was sage ich, die Lider müssen sich nicht einmal schließen, es unterscheidet sich nicht vom Geschlossenträumen. Ich sitze hier, ihnen schräg gegenüber und etwas in mir malt sich aus, sie würden mich in diesem Augenblick ansprechen, mich um Rat fragen und ich könnte ihnen vortrefflich meine Hilfe zuteilwerden lassen. Für einen Moment. Wichtig.“ Bevor ich noch denken kann, jetzt wäre, höre ich ihn Atem holen. „Ein unwichtiges Kind wird unscheinbar alt. Was nützt es, dass ein Gott das Kind gesehen hat, wie dieser Gleiche jetzt einen alten Mann sieht. Ein stummes Sehen. Ein Alibisehen. Alibi der Menschen, die keine Zeit für mich, kein Interesse an mir haben. Meine Welt. Im Traum erträglich gerückt. Manchmal mehr. In mein Lächeln getaucht und zurück an der Oberfläche im Gesicht vergessen, andere sehen es mir an und denken. Wenn ein Traum so lange währt, dass ich noch erleben darf, wie mein Rat, schließlich meine Hilfe angenommen wird und was danach kommt, sich entwickelt, gar zu einem guten Ende führt. Ja, tags Wichtigträumer, nachts zunehmend schlaflos. Ich habe sie beim Schreiben unterbrochen, könnte ich vielleicht…?“ Ein Reh auf einer Lichtung. Nur kurz, ein Moment.

© Copyright Text Wolfgang Weiland

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