Ich bin achtzig, und…

„Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Die Stimme, die dies sagte, gehörte zu einem älteren Mann, der inmitten einer Gruppe Wartender stand. Es war noch nicht lange her, dass ich mein Automobil aufgegeben hatte, und mich deshalb ebenso an der Bushaltestelle der, damals noch, Linie 13, am Rathaus aufhielt. Er war klein von Wuchs, dabei aber, ja drahtig, würde ich es beschreiben, wenn ich müsste. „Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Es schien, als wäre da niemand, der aufmerkte, hier oder dort, wohin er unterwegs war. „Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Als der Bus kam und wir einstiegen, lehnte er einen Platz den ihm jüngere anboten, freundlich aber bestimmt, ab. „Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Ich fuhr damals, die ersten Jahre der Automobillosen Zeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu meinem Arbeitsplatz und zurück. So sah ich ihn einige Wochen lang nahezu jeden Nachmittag eines Arbeitstages. „Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Erst viel später entdeckte ich die kindliche Freude am Fahrradfahren wieder und fuhr, bis zuletzt, bei Wind und Wetter, den Arbeitsweg, zu Terminen, oder wenn ich Besorgungen zu machen hatte, mit dem Fahrrad. „Ich bin achtzig, und spiele noch Tennis.“ Ich habe ihn nicht vergessen. Diesen kleinen, älteren Herrn, auf den, so schien es mir, niemand zu Hause wartete, der niemandem wichtig war. Wichtig genug, ihm zuzuhören.

Es ist viel Zeit vergangen, seit damals, ich musste krankheitsbedingt die Arbeit aufgeben, konnte auch lange Zeit nicht mit dem Fahrrad fahren, wurde zum Spaziergänger, der, nur noch gelegentlich, fest im Sattel sitzt.

Ich fürchte mich davor, in einigen Jahren, auf meinen Alleinespaziergängen über die Hügel, wenn mir denn einmal jemand begegnet, nur im Vorübergehen zu murmeln: „Ich bin achtzig, und warte, noch immer, auf.“

© Copyright Text Wolfgang Weiland

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