Lebensstück…

…Ich möchte von Klaus erzählen. Dabei ist vieles nur Vermutung. Wohl das meiste. Bei vielem wünsche ich vielleicht nur, dass es so gewesen wäre. Freund. Heute frage ich mich, ob ich denn weiß, wie Freundschaft geht. Was man dafür tut, wie es sich anfühlt. Muss mir die Frage wohl mit Nein beantworten. Klaus, der einzige Freund in Kindertagen? Nicht einmal das Kennenlernen ist noch greifbar. Ich denke, wir waren Klassenkameraden gleich in der 1. Grundschulklasse. Doch auf der Klassenfotografie mit dem Finger auf ihn zu zeigen vermag ich nicht. Es sind zu viele. Beinahe 20 Jungen. Einzig auf Felix kann ich zeigen, wohl auch nur, weil ich den Namen sofort mit diesem Meckihaarschnitt in Verbindung bringe. Kein anderes Gesicht erzählt mir etwas. Klaus also. Das wenige, das ich noch weiß, kann ich erzählen. An Besuche bei ihm zu Hause erinnere ich mich. Seine Eltern waren wesentlich älter als meine. Sein Vater, ich weiß nicht, woran er litt, lag meistens im Wohn- oder Schlafzimmer. Klaus war das einzige Kind. Was ich noch deutlich vor mir sehe ist, wie er im Treppenhaus, das lange gerade Treppen hatte, nicht wie in unserem wo sie eher Wendeltreppen glichen, Anlauf nahm, sich noch im Sprung mit angewinkelten Arm auf den Handlauf schmiss, sodass dieser in der Achselhöhle zu liegen kam und sich so, mit jeweils nur einem Sprung, Treppe für Treppe nach unten tragen ließ. Vier Sprünge und er war auf der Straße, wo ich ihn Minuten später wieder einholte. Ich war nicht so tollkühn. Ob er auch bei mir war? Eher nicht. Auch in Stuttgart teilte ich mit meinem Bruder ein Zimmer. Es war demnach wohl eher so, wie damals üblich, dass man sich nach Schule und Hausaufgaben draußen traf. Unweit unserer Wohnung lag die Karlshöhe, etwa 100 Meter hoch, mit einigen felsigen Abschnitten, die zum Klettern einluden und Wegen die man im Winter hinab rodeln konnte. Doch es passierte dort auch etwas, das mir auch heute noch nachgeht.

1964
Sie sollen aufhören. Immer abends. Ich will das Lied nicht. Weinen bis ich schlafe. Vor ein paar Tagen. Wir machen viel mit Tanten die nicht unsere richtigen Tanten sind. Tante Bertl kommt uns abholen. Sie geht mit uns auf die Karlshöhe. Da ist ein Spielplatz. Tante zieht. Ich bin doch erst 7. Wir spielen Tante passt auf. Da sind Holzblöcke im Sand. Kann man hochgehen und runter. Einmal springe ich von ganz oben. Tante passt. Es tut weh. Mein Arm steckt im Sand. Es tut weh. Tante zieht. Sieht anders aus. Wir gehn nach Hause. Tante zieht und schimpft. Dann werde ich doch ins Krankenhaus gebracht. Hier sagen sie Ellbogen gebrochen. Muss liegen. Lange. Der kranke Arm ausgestreckt und festgebunden. Streckverband haben sie gesagt. Und jetzt. Morgen früh wenn Gott will wirst du wieder geweckt.
Und wenn er nicht will.

2020
Tante Bertl war in Stuttgart also die Gemeindeschwester, die sich um uns Kinder kümmerte. Alt, alleinstehend, grob. War aber in Jerusalem schon die Wege des Herrn gegangen,…

…Auszug aus Erinnerungen, die ich gerade aufschreibe…

© Copyright Text Wolfgang Weiland

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